„Hostess“ (1975) | Weibliche Selbstbestimmung im DDR-Alltag

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Der DEFA-Film Hostess ist mehr als nur eine romantische Komödie – er ist ein faszinierendes Zeitdokument der 1970er-Jahre-DDR, das mit Charme und Tiefgang die Frage nach Liebe, Partnerschaft und weiblicher Autonomie stellt. Die Hauptfigur Jette, eine selbstbewusste Hostess im Berliner Fernsehturm, wird mit den Erwartungen an traditionelle Rollenbilder konfrontiert, als ihr Partner Johannes ihr einen unromantischen Heiratsantrag macht: „Weil man eben heiratet. Das machen doch alle. Und steuerlich liegen wir auch günstiger“. Dieser Moment wird zum Auslöser einer Reise der Selbstfindung, die Jette durch verschiedene Beziehungsmodelle führt – von der kriselnden Ehe ihres Bruders Robert bis zur unkonventionellen Kollegin Conny, deren rebellischer Umgang mit gesellschaftlichen Normen sich sogar in provokativen Wandzeitungs-Collagen („Die Wahrheit ist konkret“) äußert.

Gesellschaftliche Resonanz & künstlerische Besonderheiten

  1. Die Stadt wird zur lebendigen Kulisse – von der Dachwohnung mit Blick über die DDR-Hauptstadt bis zum Fernsehturm als Arbeitsort Jettes. Bemerkenswert ist die Kameraarbeit Siegfried Mogels, die das Brandenburger Tor „quasi ohne Mauer“ einfängt – ein subtiler Verweis auf Lebensrealitäten jenseits politischer Grenzen.
  2. Mit Songs von Veronika Fischer und einem frühen Auftritt der späteren Punk-Ikone Nina Hagen („Zieh die Schuhe aus“) spiegelt der Soundtrack die kulturelle Aufbruchstimmung der 1970er.
  3. Fantasie-Sequenzen und theatralische Montagen (etwa Jettes innere Monologe) brechen die realistische Erzählung auf und erinnern an experimentelle DDR-Theatertraditionen.

Historische Bedeutung

  • Anders als der gesellschaftskritische Vorgänger „He, Du!“ (1969) zeigt Hostess weibliche Selbstbestimmung im Gewand leichter Unterhaltung – ein Zugeständnis an die Unterhaltungsbedürfnisse des DDR-Publikums.
  • Die Hostess-Uniformen und Nachtclub-Szenen inszenieren einen urbanen Lifestyle, der westlichen Chic zitierte, ohne die sozialistische Moral zu verletzen.

Hostess bleibt ein ambivalentes Kulturerbe – zwischen seichter Romanze und subtiler Gesellschaftsstudie. Verfügbar ist der Film auch als DVD.